Frauenrechte und Frauen-Empowerment in 3 Kontinenten

Die Projektarbeit der ASW zur Stärkung von Frauen


Die ASW ist seit 40 Jahren im Bereich Frauenförderung aktiv und hat seitdem mit Hunderten von engagierten NROs und mit Tausenden von Frauen kooperiert. In diesen Jahren hat sich für unsere Partnerorganisationen und uns herauskristallisiert, welche Faktoren besonders dazu beitragen, dass sich das Leben der Frauen in den ländlichen Regionen von Indien bis Brasilien nachhaltig verändert. Es sind - kurz gesagt - Bedingungen, die die Handlungsmacht von Frauen verstärken und ihnen Raum für mehr Selbstbestimmung verschaffen.

In den Dörfern, in denen unsere Partner aktiv sind, ist das fast gleichbedeutend mit der Organisierung von Frauen in Selbsthilfegruppen, Dorfkomitees, Genossenschaften oder Landarbeiterinnengewerkschaften. Dazu kommt – ebenso wichtig – Wissen, besonders die Kenntnis der eigenen Rechte. Unsere Partner in allen sieben Ländern vermitteln den Frauen der Dorfgruppen daher immer auch die Rechtslage in ihrem Land sowie die Grundrechte von Frauen und schulen sie darin, ihre Rechte bei Behörden einzufordern und im Gemeinde-Umfeld zu vertreten.

Frauen, die durch den Austausch in ihren Organisationen, durch die Aneignung von Wissen und durch die Übernahme von Verantwortung selbstbewusster werden, strahlen auch auf andere aus und geben ihr Know-How weiter. Im Idealfall kommt hier ein richtiger Schneeball ins Rollen. Durch diesen Prozess wird Nachhaltigkeit erreicht. Nicht nur das Leben der Frauen, auch das der ganzen Gemeinschaft verbessert sich langfristig.

 

Organisierung in Selbsthilfegruppen


In den Projektgebieten unserer indischen Partnerorganisationen werden die Frauen vor allem in (staatlich finanziell geförderten) „Selbsthilfegruppen“, SHGs, organisiert. Sie treffen sich ohne Männer und außerhalb der Familien, tauschen Erfahrungen aus und entwickeln das Selbstbewusstsein, das sie gemeinsam handeln lässt. „Erst durch einen solchen Austausch merken viele, dass ihr Leben auch anders aussehen kann und sie nicht alles hinnehmen müssen“, begründet die Koordinatorin der ehemaligen ASW-Partnerorganisation WORD dieses Konzept.

Als Gruppe beginnen die Frauen dann oft auch mit einkommensschaffenden Aktivitäten, wie z.B. die Weiterverarbeitung von Agrarprodukten oder den Verkauf von Gemüse, was wiederum ihre Stellung gegenüber den Männern stärkt. Dank zusätzlicher Schulungen durch die NGO sind viele SHGs schließlich auch in der Lage, staatliche Fördergelder für ihre Aktivitäten und für ihr Dorf zu beantragen.

Der Prozess der Selbstermächtigung der Frauen kann noch weiter gehen, wenn sich mehrere SHGs, zum Beispiel zur Vermarktung ihrer Produkte, zusammentun und so mächtige Zwischenhändler ausschalten können.

 

Wie Frauen zu Multiplikatorinnen oder peer-Ausbilderinnen werden


Auch in den Dörfern im Südwesten Burkina Fasos, in denen unsere Partnerorganisation APFG aktiv ist, werden die Bäuerinnen in dörflichen Frauengruppen organisiert. Damit die Begleitung und Fortbildung durch die NGO möglichst vielen Frauen zugute kommt, schult APFG jeweils eine Vertreterin einer Dorfgruppe, die das Erlernte dann als Multiplikatorin an andere Frauen weitergibt. Bei den Fortbildungen der APFG werden z.B. Kenntnisse zur Weiterverarbeitung von Getreide und Hülsenfrüchten zu Tofu, Hirsebier oder Karitéseife und deren Vermarktung vermittelt – ebenso zu Gemüseanbau, Wiederbewaldung oder zum Bauen energiesparender Herde. Dazu gibt es Weiterbildungen zu sozialen, rechtlichen und gesundheitlichen Themen.

Im Anschluss werden sie bei der Arbeit in ihren selbstverwalteten Assoziationen von den Mitarbeiterinnen der APFG begleitet und haben Zugang zum Kleinkreditinstitut der APFG.

 

Auch Mädchen und junge Frauen, die im Berufsbildungszentrum von APFG eine Ausbildung als Schneiderin oder Friseurin absolviert und sich mit einem kleinen Geschäft niedergelassen haben, werden zum Zusammenschluss als Tandems und zur peer to peer-Unterstützung angeregt. Konkret coacht dann eine schon erfahrenere junge Frau eine andere junge Frau, die sich gerade niedergelassen hat.


Darüber hinaus hat die APFG in den Dörfern Mädchenclubs gegründet, in denen ausgebildete und nicht ausgebildete Mädchen zusammenkommen. Über diese Strukturen tauschen die Mädchen ihre Erfahrungen aus und ermutigen ihre Familienmitglieder und Bekannten, sich ebenfalls ausbilden zu lassen.

 

Wissenstausch und Anerkennung durch agrarökologische Tagebücher


Wie Frauen im Austausch mit anderen Frauen ihr Wissen und ihr Selbstbewusstsein erweitern und in den Dorfgemeinschaften einen Bewusstseinswandel anstoßen, zeigt ein Beispiel unserer brasilianischen Partnerorganisation FASE. Hier wurde ein von der Gender-Arbeitsgruppe der Nationalen Agrarökologischen Artikulation (ANA) entwickeltes Instrument eingesetzt. Die beteiligten Frauen führen täglich Buch über ihre agrarökologische Produktion und versuchen, die monetären und nicht-monetären Ergebnisse ihrer Arbeit zu messen und zu systematisieren.

Denn viel zu lange wurde der Beitrag von Frauen zur Versorgung der Familien, der Erwirtschaftung von Einkommen durch Vermarktung ebenso wie zur Ernährungssicherheit in den Dörfern ignoriert. Aus Sicht der FASE Beraterin Maria Emília Pacheco sind solche „agrarökologischen Tagebücher“ hilfreich, um die Arbeit der Frauen endlich sichtbar zu machen.

Dabei werden Frauen von FASE auch zusammengebracht, damit sie ihre Erfahrungen vermittels ihrer Tagebücher tauschen können. Ein solches Treffen von tagebuchschreibenden Agrarökologinnen wurde Anfang November 2022 organisiert. Die dort Versammelten motivierten sich auch gegenseitig, die Tagebücher fortzusetzen und noch weitere Frauen dafür zu gewinnen. Daiane Araújo aus Abaetetuba denkt dabei auch an ihre Tochter: „Ich ermutige sie von nun an, weil ich weiß, dass es wichtig ist, an die nächsten Generationen zu denken.“

"Wir bemerken einen Sprung in den Notizen“, sagt Jaqueline Felipe, Pädagogin und Fachkraft bei FASE. „Die Frauen fühlen sich wertgeschätzt, ihr Selbstwertgefühl steigt und sie erkennen, dass ihr Wissen wichtig ist, wie wir bei diesem Treffen z.B. beim Austausch über Heilpflanzen gesehen haben. Sie haben viele Arten von Heilpflanzen in ihren Gebieten und möchten ihr Wissen über die Verwendung dieser Pflanzen weitergeben und vermehren."

 

Frauen in Gemeinderäte


Besonders in Indienunterstützen wir auch Initiativen, die die politische Teilhabe von Frauen fördern. In Indien gibt es ein gutes Gesetz, das in den Gemeinderäten eine Frauenquote von mindestens 33 Prozent vorsieht. Viele unserer Partnergruppen arbeiten auf dieser Grundlage und qualifizieren Frauen für die Übernahme von Ämtern in der Lokalpolitik.

Die ist auch wichtig, um die Frauenstärkung nachhaltig zu machen. „Wenn Frauen einmal im PRI-System (Gemeindeverwaltung) angekommen sind, dann bleiben Errungenschaften bestehen“, weiß unser indischer Partner Monimoy Sinha vom CWS.

Wie stark ein Engagement in der Gemeinde das Leben einer Frau und zugleich das Leben aller Dorffrauen verändern kann, zeigt das Beispiel der Adivasi-Frau Pukli Mahto aus dem ASW-Projekt SMS im Bundesstaat Jharkhand. Pukli Mahto hatte sich kurz nach Beginn der Coronapandemie der Arbeiterinnenassoziation in ihrer Region angeschlossen. Ihr Mann ist Wanderarbeiter und saß während des ersten Lockdowns an seinem Arbeitsort in Gujarat fest.

Pukli Mahto begann, in ihrem Dorf für die Arbeiterinnenassoziation zu arbeiten und nahm in anderen Dörfern Kontakt zu lokalen Aktivistinnen auf.

Als „normale“ Dorfbewohnerin nahm sie auch an der zweimal im Jahr stattfindenden Versammlung aller zur Gemeinde zählenden Dörfer (Gram Sabha) teil, wo sie besonders die Probleme von Migrantinnen und anderen Frauen zur Sprache brachte. Als nun im Bundesstaat Jharkhand Gemeinderats-Wahlen anstanden, wurde sie von der Föderation der Arbeiterinnenassoziationen gebeten, eine Kandidatur für einen Sitz einzureichen.

Sie habe zunächst große Sorge gehabt, ob überhaupt jemand für sie stimmen würde. Aber weil ihre Organisation hinter ihr stand, sagt sie, sei sie angetreten, obwohl sie für diesen Posten sogar mit Männern konkurrierte. „Ich habe den Mut nicht verloren und die Panchayat-Wahl gewonnen. Ich werde nun in der Lage sein, den Armen, alleinstehenden Frauen und benachteiligten Familien die Vorteile der staatlichen Programme zukommen zu lassen“, freut sich die frischgebackene Gemeinderätin.