Die Economic Partnership Agreements (EPA) zwischen EU und ECOWAS

Zum Wohle der Menschen Westafrikas?

Die Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (EPA) zwischen der EU und einer Reihe von Staaten sind Inhalt langjähriger Diskussionen, in deren Mittelpunkt die Frage des Nutzens der Handelsliberalisierung und Integration der Afrikanischen, Karibischen und Pazifischen (AKP) Staaten in die Weltmärkte steht. Insbesondere die Frage nach einem beidseitigen Profit der Freihandelsabkommen zwischen wirtschaftlich ungleichen Partnerstaaten scheint bis heute unklar.

Schon seit Jahren werden verschiedene Freihandelsabkommen, entsprechend der Standards der Welthandelsorganisation (WTO), weltweit geschlossen. Zahlreiche dieser Abkommen, wie das TTIP oder das EU-Mercosur Abkommen haben es über die Jahre wiederholt ins Rampenlicht des deutschen Politdiskurses geschafft. Bei den EPAs war dies nur begrenzt der Fall. Ein bekanntes Beispiel im Rahmen der Diskussion liefern die europäischen Geflügelexporte nach Ghana um die Jahrtausendwende, die, trotz Verzollung, 30-40 % günstiger als ihre lokalen Alternativen vor Ort verkauft werden konnten  und so einheimischen Bauern zum Verhängnis wurden2.

Die EPA Verhandlungen mit der EU sind in sieben Regionen aufgeteilt: Ost-afrika (EAC), Südostafrika (ESA), Südliches Afrika (SADC-Gruppe), Westafrika (ECOWAS + Mauretanien), Zentralafrika, Karibik, sowie Pazifik1. Im Weiteren werden wir uns daher auf die Region Westafrika und wenn möglich auf unsere Partnerländer Senegal, Togo und Burkina Faso beziehen.


Senegal, Burkina Faso, Togo: Least developed countries

Ein zentraler Punkt zum Verständnis der Verhandlungen hinsichtlich unserer Partnerländer ist die Tatsache, dass diese Teil der Least Developed Countries (LDCs) sind. Insgesamt sind 12 der 16 westafrikanischen Staaten LDCs. Diese haben, mittels sogenannter Everything But Arms (EBA) Abkommen für besonders arme Staaten, unabhängig von EPAs bisher, prinzipiell zollfreien Zugang zum EU-Binnenmarkt3. Für die drei Staaten geht es daher primär darum, auch zukünftig Zugang zum EU-Binnenmarkt zu haben und im Austausch ihre eigenen Märkte schrittweise zu öffnen. Die Wirkung der Öffnung der eigenen Märkte stellt den Kern der Diskussion dar.


Theorie und Praxis

Dem klassischen Handelsmodell nach ist die Wirkung der EPA simpel. Der Liberalisierung folgen Gewinner und Verlierer. Dabei wandern die Verlierer, in unserem Fall beispielsweise die Kleinbäuer:innen, in die Wirtschaftszweige, in denen ein komparativer Vorteil herrscht oder werden kompensiert. Dies funktioniert jedoch nur mittels weitreichender strukturpolitischer Reformen und Qualifizierungsmaßnahmen zur Sicherung sozialer und wirtschaftlicher Teilhabe. Eine Kleinbäuerin, dessen Arbeit sich nicht mehr rentiert, muss neue Arbeit finden, sich weiterbilden, ggf. umziehen und so weiter. Die westafrikanische Realität ist jedoch geprägt von Sicherungs- und Steuersystemen, die dafür unzureichend sind. Die zugrunde liegenden Kapazitäten vor Ort führen daher zu einer Disparität zwischen der ökonomischen Theorie und der politischen Realität 1.


Zustandekommen der EPA mit ECOWAS

Im Jahre 2014, nach elf Jahren der Verhandlungen, unterschrieben die ECOWAS-Staaten das EPA mit der EU. Die EPA lösten, auf Forderung der Welthandelsorganisation (WTO), das Cotonou-Abkommen ab, das seit 2000 ein asymmetrisches Handelsverhältnis zugunsten der afrikanischen (und kleinen karibischen und pazifischen Inselstaaten) Staaten gewährleistete. Es war wiederum der Nachfolger des Lomé-Abkommens1. Seit 2020 existiert schließlich das sogenannte Post-Cotonou-Abkommen, das nun, entkoppelt von Entwicklungs- und Handelspolitik, die Rechtsgrundlage der Europäischen Investitionsbank (EIB) und damit der auf Privatinvestitionen basierten Global-Gateway-Initiative schafft.


Zölle als wichtige Einnahmequelle

Im Verlauf der Verhandlung äußerten grade die afrikanischen Staaten, die die EPA als Ausdruck westlicher Wirtschaftsinteressen sahen, Unzufriedenheit mit den Bedingungen. Ein Kernpunkt lag in den absehbar fallenden Einnahmen durch Zölle. Viele der Staaten sind von den Zolleinnahmen stark abhängig. Kurz vor Abschluss in 2014 versprach die EU daher ein Entwicklungspaket an das EPA zu knüpfen. Zudem sollte das Abkommen vorerst asymmetrisch bleiben, was bedeutete, dass es seitens der EU keine neuen Zölle gebe, während es allein auf afrikanischer Seite zu schrittweisen Zollsenkungen käme. Davon betroffen waren, wie erwähnt, nicht unsere Projektländer, sondern insbesondere Staaten wie Ghana, Cote d’Ivoire und Nigeria, die keinen LDC Status hatten. Obwohl dies ein erster Schritt war, reichte es am Ende insgesamt nicht für ein zufriedenstellendes Abkommen auf afrikanischer Seite1.


Zugang zum EU-Binnenmarkt als Druckmittel

Der entscheidende Faktor zum Verhandlungsabschluss war dann die Androhung der EU, bei Nichtunterzeichnung den einseitigen Zugang zum EU-Binnenmarkt komplett zu beenden. In der Folge gerieten die Staaten der Region unter Druck. Ghana und Côte d’Ivoire fürchteten, weil sie keine LDC Länder sind, ihren EU-Marktzugang komplett zu verlieren. Die restlichen, darunter Togo, Senegal und Burkina Faso, fürchteten, dass eine Unterzeichnung der EPA durch andere ECOWAS Mitglieder einer eigenen Unterzeichnung gleichkäme, da die europäischen Produkte damit Zugang zu ihrem gemeinsamen Wirtschaftsraum bekämen.


Folgen der EPA je nach Land unterschiedlich

Heute sind die ECOWAS-Staaten gespalten in diejenigen, die von den EPA tendenziell profitieren und diejenigen, die dies weniger tun. Auf der einen Seite stehen Staaten wie Ghana und Côte d’Ivoire, die vermehrt in den EU Binnenmarkt exportieren und auf der anderen Seite Staaten wie Togo, Senegal und Burkina Faso, die die Integration des westafrikanischen Wirtschaftsraums geschwächt und die eigene Ernährungssouveränität in Gefahr sehen 1,6,8.

Durch diese Spaltung wird das Problem der gesamten Thematik deutlich. Der Nutzen eines Freihandelsabkommens, wie den EPAs, ist schwer abschätzbar und variiert je nach Land und Struktur der lokalen Wirtschaft massiv. Um den Nutzen eines Abkommens zu maximieren, müssen einige Teile der Wirtschaft geschützt und andere geöffnet werden, je nachdem ob sie international konkurrieren können. Welche und wie viele Bereiche das sind, hängt von einer Reihe individueller Faktoren ab, die jedes Land für sich erkennen muss. Damit macht eine pauschale Bewertung kaum Sinn. Vielmehr ist zentral, dass es Verhandlungen auf Augenhöhe gibt, die die Interessen aller Verhandlungspartner berücksichtigen und auch nach Vertragsschluss gegebenenfalls Anpassungs- und Kompensationsmöglichkeiten gewähren 1


Kleinbäuer:innen gehören zu den Verlierern

Die EPAs zwischen der EU und ECOWAS (+Mauretanien) haben jedoch das Ziel, die westafrikanischen Märkte perspektivisch bis zu 80 % zu öffnen 3. Die Problematik wird deutlicher, stellt man fest, dass aktuell rund 60 % der Bevölkerung Westafrikas im ländlichen Raum lebt und arbeitet (in Burkina Faso sind es sogar 74,6 %)9 und der landwirtschaftliche Sektor bis heute der größte Arbeitgeber der Region ist. Im Senegal umfasste er 2020 einen Anteil von rund 16 % und in Togo von rund 18 % des Bruttoinlandsprodukts5. Bei einer umfassenden Liberalisierung der Märkte können, sogar wenn ausgewählte Sektoren ausgenommen werden, nicht alle notwendigen Bereiche, geschützt werden. Dass grade kleine Landwirte daher von subventionierten, industriellen Konzernen aus der EU gefährdet sind und von der Liberalisierung tendenziell nicht profitieren, liegt auf der Hand5,4. Nicht zuletzt gerät damit auch die nationale Ernährungssouveränität weiter in Bedrängnis1,8.


Vorschläge der Zivilgesellschaft

Verschiedene zivilgesellschaftliche und mit dem Agrarsektor verbundene Organisationen nehmen immer wieder entsprechend Stellung. So fordern das Regional Council for Rural Consultation (RCRC) und die Federation of NGOs of Senegal (FONG) eine Strategie, die die senegalesische Lebensmittelproduktion fördert, Anreize zur Qualitätssteigerung setzt und kleinere Akteure vor europäischer Konkurrenz schützt8. Das Network of Organizations of Producers of Westafrica (ROPPA Netzwerk) fasst dies in drei Punkten zusammen. Erstens sollten die Integration afrikanischer Märkte und die Unterstützung der zentralen Wirtschaftssektoren priorisiert werden. Zweitens sollten in Handelsbeziehungen zwischen EU und AKP die vorrausgehenden Asymmetrien berücksichtigt werden. Und drittens sollten Landwirt: innen und andere Akteure mehr in die Aushandlung der EPAs einbezogen werden8.

Ein letztes Bedenken bezieht sich auf das sogenannte Meistbegünstigungsprinzip (MFN) der WTO. Diese Richtlinie zwingt Staaten dazu, im Rahmen der Liberalisierung allen Partnern die gleichen Handelsbedingungen zu gewährleisten. China, Indien und der Rest der Welt haben damit zukünftig massive Vorteile bei den Verhandlungen neuer Abkommen mit ECOWAS, da sie sich einfach auf die EU berufen können. Grade der Import indischer und chinesischer Fertigwaren gefährdete die lokale Lebensmittelproduktion auf dem afrikanischen Kontinent schon seit langem. Ein Problem, dass durch Abschluss der EPA nicht leichter zu lösen ist.


Fazit

Insgesamt sollte man im Rahmen der EPA Diskussion von pauschalen Urteilen absehen und die individuellen Interessen der Staaten und besonders die der Bevölkerung respektieren. Beim Abwägen der Folgen sollte zudem eine realistische Perspektive auf die sozioökonomischen und politischen Umstände des Landes einbezogen werden. Mangelhafte staatliche Kapazitäten zur Unterstützung des wirtschaftlichen Wandels können eine scheinbar wirksame Maßnahme wirkungslos oder gar schädlich machen. Grade das Ausüben von Druck seitens der EU, wie im Fall 2014, untergräbt zudem die unabhängige Entscheidungsfindung und das Selbstbestimmungsrecht der westafrikanischen Partner. Angesichts eines immensen wirtschaftlichen Ungleichgewichts und einer prinzipiell schwachen Wettbewerbsfähigkeit vieler westafrikanischer Staaten im Bereich der Landwirtschaft und der verarbeitenden Industrie scheint eine weitreichende Öffnung der Märkte daher nur begrenzt sinnvoll und bringt in jedem Fall eine Reihe negativer Konsequenzen mit sich7.

William Laté Schwenk

Mehr zum Senegal

Zur Verschiebung der ECO-Währung, die den westafrikanischen CFA ersetzen soll 
 

Quellen:

1 Giesbert et al. (2016): Umstrittene Freihandelsabkommen mit der EU: Afrika unter (Handels-)Druck. GIGA Focus

2 Ragasa et al. (2020): Can local products compete against imports in West Africa? Supply- and demand-side perspectives on chicken, rice, and tilapia in Ghana, in: Global Food Security, Vol. 26

3 Friday Eyo Uko & Kufre Amos Paul (2023): European Union – West Africa Economic Partnership Agreement (EU-WAEPA): Critical Examination, in: Global Journal of Communications and Humanities, Vol. 2

4 Demba Moussa Dembélé (2016): Les APE : "Le baiser de la mort" ? - Par Demba Moussa Dembélé - Xalima.com (xalimasn.com), abgerufen am 22.02.24

5 Helene Aminatou et al. (2021): Transformation de l’agriculture en Afrique de l’ouest. Défis et opportunités. b7a3671b-81bb-57e6-e45c-b8ce9c515220 (ifad.org)

6African Trade Policy Center (2018): Economic Trade Partnership Agreement and African Continental Free Trade Area : What is at stake for Togo ?

7Collins Sunday et al. (2022): Effects of Economic Partnership Agreements Between Ecowas and the EU on Trade, Revenue and Welfare of Agricultural Trade of Ecowas Bloc, in: Turkish Journal of Agriculture -Food Science and Technology, 10(4)

8 Doval Hernandez (2022) : Free Trade Agreements (FTAs) between the EU and Western Africa: What chances for fair relations? Senegal case study EDEIJ, 1(3)

9Statistisches Bundsamt (2024) : Burkina Faso Statistisches Länderprofil. Statistisches Länderprofil Burkina Faso (destatis.de) (Abgerufen am 06.03.24)